Was ist denn interessant an diesem Blog, wenn ich nicht wirklich die ungeschminkte Wahrheit erzähle, wenn ich unangenehme Dinge auslasse, und gerade auch meine eigenen Fehler für mich behalte? Zu lesen, dass ich auf der Ostsee von A nach B geschippert bin, ist für die meisten wohl nicht wirklich spannend. Daher an dieser Stelle noch einmal eine ausführliche Manöverkritik des Törns nach Mommark:
Grundsätzliches
Ich bin bei einer Vorhersage von West 5-6, mit angesagten Schauerböen, bei nur zwei geplanten Segeltagen nach Osten los. Das war ein Fehler! Ich gebe zu, nicht wirklich mit den guten sechs Windstärken und den zwei Metern Welle gerechnet zu haben, scheinen mir die Vorhersagen doch öfter mal etwas übertrieben. Besser als aufs offene Wasser, wäre der Weg nach Westen in die Förde, oder nach Norden in den Als-Sund gewesen. Im Sund hätte man ruhige Gewässer vorgefunden und so die Nerven der Crew geschont. Vor allem, da von vier Mann einer keine und zwei nur geringe Segelerfahrung mitgebrachten. Dazu kommt, dass der Hauptgrund, warum ich nicht in den Sund wollte, der war, dass ich beim letzten Törn schon dort war. Das ist natürlich idiotisch! Und einmal mehr merke ich mir:
Lektion 1: Das Wetter macht die Route!
Am Morgen war die grobe Idee, entweder nach Marstal, eher aber, wie ja letztendlich auch geschehen, nach Mommark, oder falls wir so weit gekommen wären, nach Fynshav zu laufen, um die Nacht dort zu verbringen. Was ich mir jedoch vor dem Törn so nicht klar gemacht habe ist, dass es auf dieser Route so gut wie keine schnell erreichbaren Schutzhäfen gibt. Alle Häfen, Schleimünde, Marstal, Soby, Mommark und Horup Hav, sind im dümmsten Fall die gleichen 10 – 15 Seemeilen weit weg, während in der Förde oder im Sund alle naselang ein Hafen zu finden ist.
Schlechtes Wetter und Seekrankheit
Das alte Lied: Geht ein Bisschen Welle und der Wind frischt auf, fangen die Leute an verdächtig ruhig zu werden und sich mit ihren Blicken irgendwo festzuklammern. Muss dann auch noch jemand kotzen, mag derjenige sich vielleicht erleichtert fühlen, aber den anderen geht es dadurch nicht unbedingt besser. Und dann kommen schon Mittags die Fragen, wo denn hier der nächste Hafen sei… Zum Glück bin ich an diesem Wochenende verschont geblieben. Ich habe gehört, dass wenn man Verantwortung trägt, man weniger anfällig für Seekrankheit ist – Halleluja!
Insgesamt war mir das Wetter, dafür dass ich Mathilda noch nicht so gut kenne, zu viel. Es gab zwar keinen Moment, in dem wir nicht klargekommen wären, aber die ein oder andere Situation hätte ich mir dennoch gerne erspart (siehe nächster Absatz). Dazu kam der zwischendurch doch recht kräftige Regen, dem unser Küsten-Ölzeug auf Dauer nicht gewachsen war.
Lektion 2:
Sind mehr als fünf Windstärken angesagt, hab die Sorgleinen klar und sei dir (besonders am Wind) des bevorstehenden Ritts und der Belastung für die Crew bewusst.
Defekte und Untiefen
Bei Pols Rev gibt es eine in der Karte eingezeichnete Stelle mit Steinen mit einer Wassertiefe von 1,3 m. Mathilda hat 1,25 m Tiefgang! Der Plan war, an dieser Untiefe knapp vorbeizusegeln und vorher die Halse zu fahren um auch die Pols Rev Tonne knapp backbord zu lassen. Dumm nur, dass während der Halse, südlich der Untiefe, beim Dichtholen die Großschot aus der Traveller-Verankerung bricht. Meine Entscheidung in dieser Situation: Motor an, in den Wind und dabei immer ein Auge aufs Echolot, Segel runter und dann raus aus der Gefahrenzone. Nachträglich hat der GPS-Track mir gezeigt, wie nah wir der Untiefe wirklich waren. Puh, das ist nochmal gut gegangen! Auf dem Rückweg wiederum, habe ich bewusst entschieden, über das Kalkgrund-Flach zu motoren. Dieses Mal habe ich daher auch sehr genau navigiert, die Mitte zwischen den beiden Flachstellen angepeilt und auch sehr gut getroffen (wie sich im Nachhinein anhand des GPS-Tracks gezeigt hat). Dennoch, als das Echolot, mehr als eine Seemeile vom Ufer entfernt, immer geringere Wassertiefen angezeigt hat, ging mir doch etwas die Muffe. Bei 2,3 m war dann aber zum Glück Schluss…
Lektion 3:
Gehe nicht knapp um die Tonnen rum, sondern halte (für alle Fälle) ausreichend Abstand!
Dass die Endlos-Rollreffleine am ersten Tag gerissen ist, ist gewissermaßen einfach dumm gelaufen. Die Leine sah noch nicht so schlecht aus, dass ich sie aussortiert hätte. Pech, dass das ausgerechnet bei 6 Windstärken und zwei Meter Welle passiert und ich dann aufs Vorschiff muss, um bei regelmäßiger Dusche das Vorsegel einzuholen, indem ich die Leine immer wieder ihrer Länge nach zurückfädele und dann erneut durch die Reffrolle ziehe. Alles safe, nur etwas nass! Etwas brenzliger war dann die Situation am nächsten Tag, als sich, bei mittlerweile in Böen wahrscheinlich schon 7 Windstärken, die zweifach gereffte Genua, beim Einholversuch mit einer langen (aber zu dicken) Behelfsleine, von selbst komplett ausrollte. So plötzlich bei einer steifen Brise den ganzen 20 m2-Lappen stehen zu haben, besonders da Mathildas Rigg ja hauptsächlich auf die Genua ausgelegt ist, war gelinde gesagt „überraschend“. In Sekundenschnelle bin ich ans Ruder gesprungen und abgefallen um den Druck aus dem Segel zu nehmen. Unter anderen Umständen (und am besten auf einer Jolle) hätte ich die darauffolgende Raumschots-Rauschefahrt genossen, während der Mathilda eine Spitzengeschwindigkeit von 6,5 kn über Grund gelaufen ist (später anhand des GPS-Tracks nachvollzogen). Aber der Fetzen musste runter und man kann sich vorstellen, dass ich bei der für die Ostsee beachtlichen, jetzt achterlichen einfallenden, Welle das Ruder nur sehr ungern abgegeben habe, um mich erneut auf dem Vorschiff unter der Dusche zu verlustieren…